Eine Speiche der Kreuzspeichenräder reisst und muss ersetzt werden. Die Speichen werden mit der Zeit locker.


Bild 1 zeigt eine Speiche und auch Details.
ImageAn der einen Seite eines Drahtes wird ein Gewinde "aufgerollt". Dabei wird das Material nicht zerspant sondern verdrängt (und somit verdichtet). So kann aus einem 3,5mm starken Draht ein 4mm-Gewinde entstehen.
An der anderen Seite wird der Kopf angestaucht. Der Draht wird von einem 2-teiligen Werkzeug geklemmt (an dieser Stelle ist er dann dünner!) und der herausragende Rest zusammengedrückt. Es entstehen beabsichtigte Grate an der Stelle wo das Werkzeug nicht vollkommen schliesst (grüne Pfeile).

Bild 2 links zeigt die Speiche wenn sie "frisch" montiert ist. Die Grate liegen auf der AL-Oberfläche der Felge auf, die Speiche wird mit dem Nippel gegen die Nabe verspannt und mit dem Konterschräubchen gesichert.
Im Lauf der Zeit graben sich die Grate unter der Belastung in die Oberfläche der Felge ein, die Speiche setzt sich. Die Speichen sind gegen Verdrehen gesichert. Die Bohrungsränder in der Felge werden etwas deformiert, sie passen sich der Form des Speichenkopfs an. Es bleibt nur ein Teil der ursprünglichen Spannung erhalten.
ImageWaren die Grate gross und arbeiten sich vollkommen ein, wird die Speiche locker (Bild 2 rechts).
Damit eine Restspannung erhalten bleibt könnte man sie bei grossen Graten "einfach" stärker vorspannen. Das führt schnell zu überlasteten Speichen, sie reissen!
Sind die Grate zu klein, verbleibt (zu) viel Restspannung.
Kurz: Die Materialien und Geometrien müssen aufeinander abgestimmt sein.

Beim Ersetzen wird's theoretisch kompliziert:
Abgesehen davon, dass die alte Speiche oft "bombenfest" in der Bohrung der Felge sitzt, passt auch das Gewinde nicht mehr durch die Öffnung! Die Bohrung ist "zugewachsen"! Da hilft nur:
Speiche  auf ca. 2cm abflexen, mit dem Hammer ein Stück austreiben und dann mit einem Ausziehwerkzeug ausziehen.
Die neue Speiche passt unter Umständen nicht durch die "zugewachsene" Bohrung in der Felge. Nicht einfach mit Gewalt durchklopfen, sondern die Bohrung sauber machen (Reibahle, Bohrer, runde Nadelfeile...).

Die neue Speiche muss sich nicht wesentlich einarbeiten. Beim Anschlagen einer "alten Speiche" ist ein Ton zu hören. Seine Tonhöhe ist abhängig von einer Mixtur aus Materialbeschaffenheiten von Felge, Nabe, Speiche, der Speichenlänge und ihrer Spannung. (wie bei der Gitarre: je stärker die Spannung, desto höher der Ton).
Also braucht man die neue Speiche "nur" so zu spannen, dass der Ton etwa gleich ist. Der Ton der "alten" Speichen wird durch den Dreck in den Bohrungen beeinflusst. Einen Klavierstimmer braucht man aber nicht zu engagieren. Anschliessend das Kontern nicht vergessen!

Werden Chromspeichen durch solche aus Edelstahl ersetzt funktioniert die "Tonmethode" ohnehin nicht! Die Materialien sind zu unterschiedlich!! Da hilft eigentlich nur viel Gefühl. Einen anderen Speichennippel definiert öffnen z.B. 2 Umdrehungen (Konterschraube vorher AUF!). Dann wieder genau um diesen Betrag schliessen und dieses Drehmoment "in den Fingern behalten". Die neue Schraube damit festziehen.
Drehmomentschlüssel, auch wenn es eine "unzweifelhafte" Marke ist, haben Toleranzen. Diese sind auf die Endwerte bezogen. Also kann beispielsweise ein 5....30 Schlüssel bei 2% Toleranz bei einem Wert von "5" irgendwas zwischen 4,4 und 5,6 "bringen". Allerdings ist die Wiederholgenauigkeit in der Regel wesentlich höher!!
Die von BMW vorgegebenen Drehmomente, angegeben für Präzisionsschlüssel (hat kein normaler Mensch weil er wohl nicht geneigt ist 4-stellige Beträge für so ein Teil auszugeben) kombiniert mit neuen Speichen, neuen Felgen und neuen Naben, sind maximal Anhaltspunkte!
Mit der Zeit setzen sich die Speichenköpfe in ihren Bohrungen, reiben sich ein bisschen ein etc, werden also locker. Deswegen sind die "Muttern" auch mit dem Madenschräubchen gesichert.
Bei der Erstmontage sind alle Bauteile neu und (hoffentlich) sauber und alle Speichen setzen sich (theoretisch) gleich. Bei der Reparatur kann eine Bohrung in Al bereits "zugewachsen" sein, so dass viel DrehMo bereits als Reibung verlorengeht.
Die Einflüsse sind bei einem gebrauchten Rad also ziemlich vielfältig und so ist das angegebene DrehMo ein Richtwert. Eigentlich müsste man eine "festgezogene Ersatzspeiche" kennzeichnen und nach einiger Zeit kontrollieren. Sie sollte dann auch "locker" sein.
Die neue Speiche braucht sich nicht in die "alte" Felge "einzuarbeiten" und kann daher weniger gespannt werden!

Links:
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