Irgendwann ist er dahin - der Glanz der verchromten Speichen. Mit den Jahren vergangen oder einfach von "Putzwütigen" wegpoliert.

Beim trostlosen Anblick der Speichen stellen sich einem Fragen - wie: "Was kostet es ein Rad einspeichen zu lassen?" "Wie lange dauert das?" "Wer macht so etwas zuverlässig?" "Chrom oder Edelstahl?" oder : "Kann ich das selber machen?"

Man recherchiert im Internet, googelt ein bisschen, stöbert in diesem und jenem Forum - und findet auch was: Einen Preis in Hamburg, ein Komplettangebot zu Winterpreisen in Berlin, hier ein Tipp und da ne´ Meinung.

Doch viele Fragen bleiben und wer schickt schon gerne sein Rad nach Hamburg, wenn er z.B. in Nürnberg wohnt?

Da ich meine Q und auch Teile von ihr nur sehr ungern in fremde Hände gebe, habe ich auch schon öfters mit dem Gedanken gespielt, meine Räder selber einzuspeichen und dabei die Speichen Stück für Stück zu wechseln. Aber weil auch ambitionierte Schrauber vor dieser Arbeit gewissen Respekt haben, hatte ich es bisher nicht gewagt.
Ein Beitrag in einem Forum, eben zu diesem Thema, hat mir aber Mut gemacht, es nun doch selbst zu Versuchen.

Da mich das Ergebnis dieses Versuchs voll und ganz überzeugt hat, möchte ich meine Erfahrungen in Form der folgenden Anleitung an euch weitergeben.

Objekt:
Vorderrad meiner R 90 S (Bj. 1975), Doppelscheibe, Weinmann Alufelge, ohne nennenswerten Seiten- und Höhenschlag, aber mit 40 "Gammelspeichen"

Benötigtes Material:

  • 40 Chromspeichen (BMW Teilenummer 36311234593) 36,20 Euro
  • 40 Chromnippel (BMW Teilenummer 07119930070) 31,55 Euro
  • Nähmaschinenöl
  • Diverse Putzmittel je nach Anspruch

Werkzeuge: (Bild 1)

  • Übliche Werkzeuge zum Radausbau
  • Reifenmontierhebel
  • Schraubendreher (passend für Speichennippel) mit eingefeilter Nut in der Mitte der Klinge
  • Klöppel zum anschlagen der Speichen (mehr dazu später)
  • Speichenschlüssel (bei Louis 8,45 Euro)
  • Lineal oder Flacheisen zum prüfen des Höhen- und Seitenschlags
  • Kleine Metallsäge oder kräftiger Seitenschneider

Alles parat? Dann kann´s ja losgehen.
Erst mal noch ein Foto vom Rad mit den Gammelspeichen machen - zur "Erinnerung".
Dann.....

das Vorderrad ausbauen und die Bremsscheiben abschrauben. Rechte und linke Bremsscheibe entsprechend markieren und einen Pfeil mit der Drehrichtung des Rades auf die Nabe zeichnen.

Reifen, Schlauch, und Felgenband abmontieren.

Nun das Rad für die folgenden Arbeiten wieder in die Gabel einbauen. Die Gabel dient als Zentrier- und Montageständer. (Bild 2)

Um den "Ist-Zustand" des Rades festzustellen, wird nun mit Hilfe eines Lineals, einem Flacheisen oder Ähnlichem, der bestehende Höhen- und Seitenschlag der Felge ermittelt.

Um den Höhenschlag zu prüfen, das Lineal quer über den Felgenhörnern an beiden Seiten der Gleitrohrbrücke (das Teil an dem das Schutzblech befestigt ist) anlegen, gut festhalten und das Rad drehen um den Höhenschlag zu ermitteln. (Bild 3)

Um den Seitenschlag zu prüfen, das Lineal an einer Seite der Gleitrohrbrücke anlegen, gegen die Außenkante der Felgenhorns halten und das Rad drehen um den Seitenschlag zu ermitteln. (Bild 4)

Die ermittelten Werte sollten jeweils 1,5 mm nicht überschreiten. Sollte ein Wert überschritten sein, dann muß das Rad nach dem Tausch der Speichen nachzentriert werden bis die Werte passen.

Nun kann man mit dem Tauschen der Speichen beginnen.
Die Speichen werden nach dem Prinzip "eine alte raus und dafür eine neue rein", also nacheinander, Stück für Stück getauscht.

Die Spannung der Speichen wird an Hand des Klangs ermittelt, den die Speiche erzeugt, wenn man sie etwa in der Mitte mit einem harten Gegenstand anschlägt. Als Klöppel habe die Verlängerung aus dem ¼ Zoll Steckschlüsselsatz verwendet.

Die Speiche die man wechseln will, mit einem kleinem Stück Klebeband markieren und mit dem Klöppel anschlagen. Da man sich den Klang nicht merken kann, sucht man sich nun eine andere Speiche aus, die beim anschlagen den gleichen Klang erzeugt und markiert diese ebenfalls mit einem Stück Klebeband. Diese Speiche dient dann als Kangreferenz für die neue.

Nun die erste alte Speiche durch herausdrehen des Speichenippels entfernen. Wenn der Nippel festsitzt, bleibt nur das durchtrennen der Speiche mit Säge oder starkem Seitenschneider.
Dann aber aufpassen, Verletzungsgefahr!! Durch die Spannung der Speichen schießen die Speichenteile beim Durchtrennen teilweise wie Geschosse aus der Aufnahmebohrung von Felge und/oder Nabe.

Jetzt ein kleines Tröpfchen Nähmaschinenöl auf das Gewinde einer neuen Speiche und auf die Anlagefläche des Nippels geben und die neue Speiche einziehen. Die Speiche spannen, indem man den Speichennippel mit einem gut passenden Schraubenzieher im Felgenbett dreht. Dabei immer wieder durch abwechselndes anschlagen der neuen Speiche und der Referenzspeiche die Spannung (den Klang) vergleichen bis der Klang beider Speichen identisch ist. Zum feinjustieren den Speichenschlüssel verwenden und am Vierkant des Nippels drehen.

Bild 5 zeigt die erste "Neue" im Vergleich mit den "Gammelspeichen"

Die zweite Speiche die gewechselt wird liegt der ersten 180 Grad gegenüber und hat ihre Aufnahmebohrung in der anderen Nabenseite.
Die dritte Speiche um 90 Grad versetzt zur zweiten -, die vierte der dritten um 180 Grad gegenüber einziehen, u.s.w., u.s.w Wenn die Hälfte der Speichen nach dieser Versatzmethode eingezogen ist, kann man den Rest getrost in beliebiger Reihenfolge einziehen.

Sind alle Speichen drin, werden noch einmal alle anschlagen, um deren Klang zueinander zu vergleichen. Sie sollten nun alle ungefähr in der selben Tonlage klingen. Speichen die im Klang sehr stark von Mittelwert abweichen noch etwas nachziehen, bzw. lockern. Nun wird der Höhen- und Seitenschlag der Felge noch einmal geprüft, wie weiter oben schon beschrieben.

Das Rad sollte bei korrekter Arbeitsweise jetzt nicht mehr Höhen- und/oder Seitenschlag haben als vor der Umspeichaktion aufweisen. Beim einhalten der Grenzwerte vom max. 1,5 mm ist kein weiterer Zentrieraufwand mehr nötig.

Ansonsten gilt: Höhenschlag vor Seitenschlag zu korrigieren.
Beim Zentrieren ist Gefühl und ein wenig logisches Denken angesagt. Es bringt nichts, durch brachiales anziehen einer Speiche etwas bewirken zu wollen. Beim Ausgleich von Differenzen sind immer mehrere Speichen zu beteiligen.

Bei Höhenschlag die Stelle die den stärksten Höhenschlag aufweist mit Klebeband markieren. Die Speichen im Bereich dieser Stelle etwas lockern und diejenigen die dieser Stelle nun 180 Grad gegenüberliegen etwas anziehen. Dabei müssen immer Speichen die zur linken- und Speichen die zur rechten Nabenseite zeigen gelockert oder gespannt werden, sonst wird neuer Seitenschlag produziert.

Bei Seitenschlag nach rechts nur die Speichen etwas anziehen, welche zur linken Nabenseite hin verspannt sind. Hier auch die Speichen beteiligen die vor und nach der Stelle des größten Seitenschlags liegen.

Entsprechend sind bei Seitenschlag nach links nur die Speichen etwas anzuziehen, welche zur rechten Nabenseite hin verspannt sind.

Bleibt noch zu prüfen, ob Speichen im Felgenbett über den Nippel herausragen. Wenn ja, den Überstand abfeilen oder abschleifen.

Nun das Rad wieder ausbauen, neues Felgenband auflegen, Reifen montieren, Bremsscheiben montieren, Rad auswuchten und wieder einbauen.
Hände waschen, in die Klamotten, Helm drauf und los.

Bild 6 zeigt das fertige Rad

Da sich die neuen Speichen noch etwas strecken, muß nach den ersten 50 - 100km die Spannung nochmals geprüft werden. Evtl. alle Speichen noch eine ¼ Umdrehung nachziehen.

Der reine Austausch der Speichen nimmt ca. 2 ½ Stunden in Anspruch. Zwischen den Arbeitschritten gibt es natürlich noch jede Menge zu putzen und zu polieren. Die Gesamtdauer der Aktion (alle o.g. Arbeitschritte incl. Reifenmontage) dürfte für einen durchschnittlich begabten Schrauber bei ca. 6 Stunden liegen (putzen und polieren nicht mitgerechnet).

Ein paar Sätze zum Schluß:

Diese Anleitung basiert auf meiner persönlichen Erfahrung und ich kann daher keine Garantie auf die Richtigkeit und Vollständigkeit meiner Angaben geben. Sie bezieht sich auf das o. g. Objekt und die o. g. Ersatzeile.
Sie ist, meiner Meinung nach, Sinngemäß auf andere Radtypen mit geraden verchromten Drahtpeichen anwendbar, wie z. B. Räder mit Trommelbremsen oder nur einer Bremsscheibe.

Beim Einsatz von Edelstahlspeichen würde ich vorher den Rat eines Spezialisten einholen. Ich möchte behaupten, dass bedingt durch die Härte des Edelstahls ein einstellen der Spannung durch vergleichen des Klanges mit den alten verchromten Drahtspeichen nach o. g. Methode nicht möglich ist. Bei Verwendung von Edelstahlspeichen würde das Rad komplett ausspeichen und dann neu einspeichen.

Diese Anleitung ist nicht auf Kreuzspeichenräder anwendbar, da diese anders zentriert werden müssen!

Also Q-Treiber mit "Gammelspeichen" - auf geht´s und ran an die Nippel !
Es ist wirklich keine "Hexerei" und das "glänzende" Endergebnis ist die paar Stunden Arbeit alle mal wert.
Karl-Heinz

Und falls es euch interessiert, ...so sieht mein Rad aus, wenn die Q drangeschraubt ist (Bild 7)


 

Links:
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