Wie die verschiedenen Motorenarten funktionieren, weiß mittlerweile fast jeder;

wie aber sieht es mit dem Getriebe aus?
„Da sind eine Menge Zahnräder drin, mit denen man die Übersetzung zwischen Motor und Hinterrad variieren kann.“ Die Aussage ist zumindest dann nicht falsch wenn man statt „Übersetzung“ „Untersetzung“ sagt.

Die Grafiken zeigen den Kraftfluss durch das Getriebe (R1150xx) schematisch. Die eigentliche Schaltmechanik ist nur teilweise skizziert.
In der Praxis sind viele Zahnräder als „Schüsseln“ gebaut. Das spart einerseits Platz und auch zu beschleunigende Massen, ist aber schlecht anschaulich darstellbar. Viele der Konstruktionsdetails sind deshalb nebeneinander gezeichnet und erscheinen daher weniger kompakt als in der Realität. Kleinteile, Details der Eingangswelle und die komplette Schaltmechanik (Link) sind nicht dargestellt. Grundlage der Grafiken ist die tatsächliche Konstruktion.

Funktion
Der Kraftfluss erfolgt jeweils über Zahnradpaare von der Getriebeeingangswelle über die Hauptwelle zur Ausgangswelle.
Es sind immer(!) alle(!) Zahnräder gleichzeitig im Eingriff, übertragen allerdings nicht gleichzeitig Kräfte. Der Kraftfluss wird über seitliche Schaltklauen an den Zahnrädern gesteuert.
Bei einer Zahnradpaarung gibt es immer ein treibendes und ein getriebenes Zahnrad.
Als Normalfall wird betrachtet, dass der Motor das Getriebe und dieses dann, über Kardan etc., das Rad treibt.

Zahnradtypen
Das getriebene Rad der Primäruntersetzung (rot) auf der Hauptwelle und die treibenden Räder A u. E (rot) der Schaltstufen 1 und 2 sind fest auf die Hauptwelle aufgeschrumpft (Festräder). Deshalb gibt es die Zahnräder der Hauptwelle als Ersatzteil nicht einzeln.
Typ zwei, die grün gezeichneten Zahnräder (Losräder) sind mit Wälzlagern auf den jeweiligen Wellen gelagert. Welle und Losräder können sich also beliebig gegeneinander verdrehen aber nicht aufeinander verschieben.
Der dritte Typ Zahnrad (Schaltrad; orange) ist über eine Verzahnung kraftschlüssig mit der jeweiligen Welle gekoppelt, kann sich nur gemeinsam mit der Welle drehen aber, mit Hilfe einer Schaltgabel, auf ihr verschoben werden.

Generell:
Wenn eingekuppelt ist dreht die Eingangswelle mit Motordrehzahl.
Angetrieben über die Primäruntersetzung dreht sich die Hauptwelle ebenfalls, aber langsamer (Faktor 1,886).
Die mit der Hauptwelle starr verbundenen, treibenden Räder A, E und das kraftschlüssig verbundene Schaltdoppelrad C drehen ihre Partnerräder F, H, J u. L auf der Ausgangswelle. Alle Räder drehen immer in der gleichen Richtung wie „ihre“ Welle, die Losräder aber nicht unbedingt mit gleicher Drehzahl wie die Welle.
Je nachdem ob sich ein Losrad schneller oder langsamer als seine Welle dreht, bewegt sich sein Wälzlager vor- oder rückwärts!
Die Ausgangswelle dreht sich in gleicher Richtung wie die Eingangswelle, die Zwischenwelle in der entgegengesetzten.
Ausgangswelle und Räder G u. K drehen sich immer solange das Fahrzeug in Bewegung ist!

Die Erklärung an 2 Beispielen:
Der Motor läuft, es ist eingekuppelt, die Eingangswelle dreht sich mit Motordrehzahl. Über die Primäruntersetzung treibt die Eingangswelle die Hauptwelle an.

Das Getriebe steht auf „Neutral“:
Die Hauptwelle und die Räder A, Pz, C u. E drehen sich.
Die Hauptwelle dreht sich in den Nadellagern der theoretisch auf der Hauptwelle stehenden, weil nicht angetriebenen Räder B und D.
Die Losräder F, H, J u. L werden, wie oben erwähnt, durch ihre Partnerräder auf der Ausgangswelle gedreht.
Nachdem nirgendwo Kraftschluss besteht steht theoretisch auch die Ausgangswelle.

Dazu die Berechnung:
Die Eingangswelle dreht im Leerlauf bei Standgas mit 945 1/min.
Folglich drehen sich die Hauptwelle und alle drehfest mit ihr verbundenen Räder um den Faktor 1,886 langsamer, also mit 500 1/min.
Das Losrad L der ersten Schaltstufe dreht sich mit 244 1/min (Faktor 2,046.
Das Losrad F der zweiten Schaltstufe dreht sich mit 313 1/min (Faktor 1,600).
Das Losrad J der dritten Schaltstufe dreht sich mit 396 1/min (Faktor 1,264).
Das Losrad H der vierten Schaltstufe dreht sich mit 481 1/min (Faktor 1,039).
Theoretisch stehen die Sekundärräder G u. K der fünften (Faktor 0,900) und sechsten (Faktor 0,800) Schaltstufe und die Ausgangswelle, weil sie nicht angetrieben werden.

Drei mal der Begriff „theoretisch“? Stimmt, die Praxis sieht ein kleines Bisschen anders aus. Die Losräder B u. D „kleben“ durch das zähe Getriebeöl etwas an der Hauptwelle und werden so -entgegen der Theorie- angetrieben. Nachdem sie mit den Rädern G u. K. kämmen und diese drehfest mit der Ausgangswelle verbunden sind, dreht sich auch die Ausgangswelle. Unterstützung bieten die von A, C u. E angetriebenen, eigentlich lose laufenden Räder F, H, J u. L die ihrerseits etwas an der Abtriebswelle „kleben“.
Ersichtlich ist diese kleine Kraft dadurch, dass sich das entlastete (Hauptständer) Hinterrad auch dann dreht wenn sich das Getriebe in Neutralstellung befindet.
Ein vielleicht interessanter Versuch. Hält man das Hinterrad bei kaltem Getriebe mit der Hand an, so erfordert das etwas mehr Kraft als bei warmem Getriebe!

Getriebestellung „6-ter Gang“
Der Kraftfluss von der Eingangs- zur Hauptwelle ist wie im ersten Beispiel.

Dazu die Berechnung:
Die Eingangswelle dreht bei 210 km/h mit 7540 1/min.
Folglich drehen sich die Hauptwelle und alle drehfest mit ihr verbundenen Räder wieder um den Faktor 1,886 langsamer, also mit 4000 1/min.
Das Losrad L der ersten Schaltstufe dreht sich mit 1955 1/min (Faktor 2,046).
Das Losrad F der zweiten Schaltstufe dreht sich mit 2500 1/min (Faktor 1,600).
Das Schaltradpaar C (4000 1/min) ist nach links verschoben und koppelt das Losrad B (4000 1/min) kraftschlüssig mit der Hauptwelle.

Das Losrad J der dritten Schaltstufe dreht sich mit 3165 1/min (Faktor 1,264), das
Das Losrad H der vierten Schaltstufe dreht sich mit 3850 1/min (Faktor 1,039).
Das Schaltrad G der sechsten Schaltstufe dreht sich, angetrieben durch B mit 5000 1/min (Faktor 0,800).
Das Schaltrad K der fünften Schaltstufe dreht sich mit Ausgangswellendrehzahl (5000 1/min ) und treibt, sozusagen „rückwärts“, Losrad D (Faktor 0,900) mit 4500 1/min an (schneller als die Welle auf der es gelagert ist!).
Die Ausgangswelle, angetrieben durch G dreht mit 5000 1/min; also schneller als die auf ihr gelagerten Sekundärräder F, H, J, (K), u. L.

Der jeweilige Kraftfluss ist durch die gelbe Linie dargestellt. Dier roten Punkte kennzeichnet die Stellen an der die Kraftübertragung zwischen einem Zahnrad und einer Welle erfolgt.

Bei den anderen Getriebestellungen ist es entsprechend.




Zur Erinnerung: Nicht die Zähne der Zahnräder werden ineinander geschoben sondern „nur“ die Schaltklauen.
Jedes der 3 Schieberäder des 1150 Getriebes hat eine neutrale und zwei Arbeitsstellungen (beim 1100 sind es 2x2 + 1x1). Nur wenn sich alle Schieberäder in neutraler Stellung befinden, ist das Getriebe in Stellung NEUTRAL!


Bilder zur Veranschaulichung
Die Bilder (aus einem M94) zeigen die Klauen eines schiebefesten, aber losen Zahnrads („grün“; innen glatt) und ein verdrehfestes („orange“; mit Innenverzahnung). Bemerkenswert ist, dass 6 Klauen nur 3 Gegenklauen zur Verfügung haben!
Zu sehen ist, dass die Räder feingegossen, die Seitenflanken der Klauen nur ein bisschen abgenutzt aber nicht bearbeitet sind. Bei den 1150 sind sie geschliffen bzw. feingefräst.



Sehen wir uns zuerst die bereits erwähnten Schaltklauen genauer an.
Betrachten wir einen ersten Schaltvorgang von NEUTRAL in den ERSTEN Gang.
Oben im Bild ist das Schieberad in Stellung N zu sehen und soll in Stellung verschoben werden damit die Klauen Kraftschluss aufbauen können.
Unten im Bild ist detailliert wie eine einzelne orange Klaue (Pos1) erst zwischen 2 grüne Klauen geschoben wird (Pos2) sich dann, getrieben durch die Getriebewelle, an eine grüne Flanke anlegt und so Kraftschluss zwischen den beiden Rädern aufbaut (Pos3).

Dargestellt ist auch der Sonderfall
Der erste Gang lässt sich an der Ampel oft nicht einlegen
Hierbei stehen sowohl die Eingangswelle (es ist ausgekuppelt) wie auch die Ausgangswelle (das Mopped bewegt sich nicht).
Folglich kann es vorkommen, dass die Klauen gegenüber stehen. In diesem Fall drehen beide Räder mit Drehzahl „Null“, UND die Schaltklauen stehen einander gegenüber („im Weg“), und lassen sich nicht ineinander verschieben. Mehr Gewalt („muss doch gehen!“) nutzt nichts sondern biegt nur die Schaltgabeln.

Lässt man die Kupplung etwas „kommen“, so bewegt sich eines der Zahnräder (wird ja angetrieben) und man kann den Gang einlegen. Einziges Problemchen ist hierbei der Verschleiss der schleifenden Kupplung.
Auch eine andere Variante funktioniert. Fahrer mit ausreichender Beinlänge drücken ihr Mopped etwas vor oder zurück (~15 cm; an Steigungen lässt man einfach die Bremse los). Hierbei wird das andere Zahnrad etwas bewegt und so rastet der 1-te Gang ohne Kupplungsverschleiss.
Die ewige Frage: „Weshalb haben die Japaner an der Ampel kein Problem?“
Ganz einfach. Es liegt nicht an der Herkunft, sondern an den Kupplungseigenheiten. Nasskupplungen trennen nicht vollkommen und so drehen sich die motorseitigen Räder im Getriebe immer ganz leicht mit. Deshalb sollte also bei der „LC“ zumindest dieses Problem nicht auftreten.

Allgemein:
Klauenform

Getriebeklauen verschiedener Hersteller (nicht BMW) werden bis etwa 3° hinterschliffen (=Hinterschnitt), so dass sie sich ineinander „verhaken“ und aneinander „festziehen“ können.
Die Rundung der inneren Klauenkanten ist -speziell bei hinterschnittenen Klauen- wichtig für die Kraftübertragung weil scharfe Ecken und Kanten bruchgefährdet sind. Dazu passend müssen die äusseren Kanten (gelb) ebenfalls gerundet sein da sie andernfalls Einkerbungen verursachen oder die Klaue nicht vernünftig trägt.
Das sind nur Details? Ja, leider aber ziemlich Wichtige.

Überdeckung
Betrachten wir die Funktion der Schaltklauen genauer.
Die Klauenüberdeckung ist durch die Position von Schieberad (or) zu Losrad (gn) festgelegt. Die Position des Schieberads wiederum hängt von der Schaltgabel, letztlich der Schaltmechanik und davon wie das Getriebe „ausdistanziert“ (eingestellt) ist ab (Link).

Ist die Arbeitsstellung (wenn Kraft übertragen wird) der Schaltklauen so wie in 1 dargestellt, so ist die Überdeckung sehr gering und die Kräfte müssen über eine kleine Fläche übertragen werden. Die Last pro Flächeneinheit und die Biegebeanspruchung für die Klaue sind gross. 2 zeigt eine in der Praxis gute Variante. 3 (auf „Anschlag“) bedingt die zueinander passende Ausformung der Kantenradien und passt zu hinterschnittenen Klauen.
Immer, aber besonders bei Hinterschnitt, ist zudem die Schaltmechanik gefordert obwohl sich die Klauen doch selbstständig zusammenziehen? Ja; erklärt an zwei Extremen: Schiebt die Schaltgabel die Klauen des Schieberades nur „ungefähr“ in Position „weil sich die Dinger doch ohnehin selbsttätig…“, so passt das bei erster Betrachtung. Geschoben wird in der Darstellung mit der rechten Flanke der Schaltgabel. Angenommen die Klauen wären 5mm tief und die Schaltgabel könnte sie nur etwa 3mm übereinander schieben. Das wäre OK weil  sich die restlichen 2 mm sich die Bauteile über die Schrägen zusammenzögen?
Die Schaltgabel allerdings greift in eine umlaufende Nut des Schiebrades. Nehmen wir an der Sitz Schaltgabel/Nut wäre spielarm dann bestünde ein Dilemma. Die Gabel kann nicht weiter weil ihre Position von der Kulisse der Schaltwalze bestimmt ist. Die rechte Seite der Umlaufnut am Schaltrad hat sich bereits von der rechten Seite der Gabel gelöst weil es sich ja an das Losrad „herangezogen“ hat. Jetzt läge die linke Seite der Gabel an der linken Flanke der umlaufenden Nut an und würde das komplette Verhaken entweder behindern oder die Gabel stünde unter Spannung und unterläge blödsinnigem Verschleiss.
OK, dann muss die Gabel eben genau so weit nach rechts dass sich die Klauen korrekt verhaken können?

Konstruktionen bei denen Probleme nur durch das Steigern der Genauigkeit gelöst werden sollen funktionieren nur in der Theorie. Damit die Gabel zuverlässig freigängig bleibt, würde der Konstrukteur in der Praxis die Umlaufnut nach links 2 mm breiter machen bleibt oder, alternativ, die Gabel schmaler machen (wie skizziert).
Um das Schaltrad zwischen 2 Losrädern hin und herschieben zu können muss dann nur der Gesamtweg der Gabel etwas vergrössert werden.
Doch es muss noch eine Mittelstellung möglich sein bei der gar keine Klaue eines der beteiligten Räder im Eingriff ist. Nachdem Schaltgabel und Umlaufnut reichlich Spiel haben ist das gar nicht so einfach. Schliesslich ist die Mittelstellung das Schiebrad nur noch auf 2mm Genauigkeit bestimmt. („2 mm“ dient der Anschaulichkeit, praktisch sind es wohl eher 0,5 mm). Letztlich muss die Genauigkeit insgesamt sehr viel höher sein. Dabei sind die Einzelteile die geringen Probleme, das grössere liegt in der präzisen Distanzierung, daraus resultierend höheren Anforderungen beim Temperaturgang und so letztlich beim Preis.



Link

Sinnvoll ist es, sich zuerst mit "Getriebe - schematische Erklaerung" einen Überblick zu verschaffen
Getriebe - schematische Erklaerung
4V1 Schaltgestaenge
4V0 Getriebe Schaltmechanik
4V0 Getriebeuntersetzung
4V1 Getriebe Funktion
4V0 Schaltfehler, o. Kupplung, Assistent
4V0 Schaltvorgang
4V1 Getriebe ausdistanzieren
4V1 Getriebecodes der R11x0 Baureihen
4V1 Getriebe M97 Eingangswelle
4V1 Schalthebellagerung R11x0
Waelzlager Clean Bearing
Getriebe Waelzlager
Zwischengas
4V1 Gangspringer